Die Musik der Wikinger - historisch
Darüber, welche Musik die Wikinger gemacht haben, ist wenig bekannt. Der orientalische Händler At Tartuschi berichtete allerdings, er habe niemals schrecklichere Lieder gehört, wie die der Wikinger in Schleswig; das Knurren aus ihren Kehlen erinnere ihn an das Geheule von Hunden – es sei nur noch animalischer. Nunja, vielleicht hat er ja auch einem schamanischen Ritual beigewohnt oder hat einfach miese Sänger erwischt.
Bei den Wikingern gab es im Wesentlichen zwei Arten von Musikern: Zum einen die wenig angesehenen Jester, die nur dann und dann nur schwerlich überleben konnten, wenn sie wirklich gut waren; zum anderen die hochgeschätzten Skalden, die über das Land zogen und auf den Höfen Loblieder auf die jeweiligen Fürsten sangen. Das mag an die hierzulande heute übliche Trennung zwischen U- und E-Musik erinnern.
Tatsache ist, dass lediglich einige Musikinstrumente wie Flöten, Lyren oder Hörner gefunden wurden. Natürlich wurden dazumal keine Melodien notiert, man geht aber davon aus, dass sich einige davon in isländischen Volksliedern ansatzweise erhalten konnten. Hier sind vor allem zwei Liedformen zu erwähnen, deren Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht und die immer noch gesungen werden: Rímur und Tvísöngvar.
Rimur sind eigentlich in modalen Skalen vertonte Gedichte, die bestimmten Silben- und Stabreimschemata gehorchen. Man kann davon ausgehen, dass die isländischen Sänger diese exzessiv genutzt haben, um ihre Geschichten zu erzählen. Dabei konnte ein Lied aus Dutzenden von Strophen bestehen.
Tvísöngvar sind eines der ältesten Beispiele von Mehrstimmigkeit. Kennzeichnend ist die Verwendung von parallelen Quinten, wobei sich die Stimmen auch überkreuzen. Damit ist der Tvisong dem kirchlichen Organum ähnlich. Ein Tvísong ist vorzugsweise in einer lydischen Tonart gehalten.
Zum Weiterlesen:
- Björn Mummert: Musik der Wikinger; https://musik-atelier.com/wp-content/uploads/2017/11/Musik-der-Wikinger.pdf; 1998
- Mogens Friis: Vikings and their Music; http://www.viking.no/e/life/music/e-musikk-mogens.html; 2004
- Hreinn Steingrímsson: Kvædaskapur: Icelandic Epic Song; http://luxstar.org/KVAEDASKAPUR/main.html
Zum Hören:
- Þjoðlagastrið á Siglufirði: Raddir Íslands - Íslensk Þjóðlög og Þjóðdansar; DVD; Siglufjörður 2009; http://www.folkmusik.is/en/page/voices_of_iceland
- Ísmús: https://www.ismus.is/search/R%C3%ADmur (Auf Isländisch; eine umfangreiche Sammlung historischer Aufnahmen von Rímur)
Historische Erläuterungen
Das Musical "Vínland" basiert auf den zwei altisländischen sog. Vínland-Sagas "Grœnlendinga Saga" (Saga der Grönländer) und "Eiríks Saga Rauða" (Saga Eiríks dem Roten). Diese berichten über die Entdeckung Amerikas durch die Nordmänner um das Jahr 1000 n.Chr. und wurden zunächst mündlich überliefert, bevor sie ab dem 13. Jahrhundert niedergeschrieben wurden. Die Sagas wurden allerdings im Laufe der Zeit immer weiter ausgeschmückt und geben so nicht ganz die historische Wahrheit wieder. In manchen Punkten widersprechen sich sogar die Berichte aus den beiden Sagas, so wie sich das Musical auch die Freiheit nimmt, die eine und andere Geschichte etwas weniger streng zu erzählen.
"Vínland" (Weinland) bezeichnet darin ein bestimmtes neues Land südwestlich von Grönland, in dem wilde Weinstöcke gefunden wurden. Andere neue Länder im Westen sind z.B. "Helluland" (vermutlich die heutige Baffin-Insel) und "Markland" (wahrscheinlich Labrador). Insgesamt wird Vínland verklärt als Land dargestellt, in dem geradezu paradiesische Zustände herrschen: Flüsse voll mit Fischen, Wiesen, in denen man durch Eier watet und auf denen süßer Tau fällt, Getreide, welches ohne Aussaat einfach so wächst und eben Trauben, die den besten Wein geben.
Wo genau dieses sagenhafte Land heute liegt, ist noch nicht hundertprozentig geklärt. Es gibt viele Historiker, die glauben, die 1961 im neufundländischen L'Anse aux Meadows ausgegrabene Wikingersiedlung sei die in den Sagas erwähnte Niederlassung Leif Erikssons, in der auch der zweite Akt des Musicals spielt.
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Die Siedlungen auf Vínland blieben nur wenige Jahre bewohnt. Anscheinend führten Streitigkeiten mit den Ureinwohnern (Micmac- oder Beothuk-Indianer), die die Wikinger "Skrælingar" nannten, zur Aufgabe. Allerdings sind danach mehrere Fahrten zu den Waldgebieten Marklands belegt, die wohl zur Beschaffung von Holz, das es in Grönland nicht gab, getätigt wurden.
Die normannischen Kolonien auf Grönland gingen schließlich im 15. Jh. zugrunde. Das Klima hatte sich in der "kleinen Eiszeit" massiv verschlechtert und die vom Norden nachrückenden Inuit sorgten möglicherweise für zusätzlichen Ärger.
Zum Weiterlesen:
- Klaus Böldl, Andreas Vollmer, Julia Zernack: Isländersagas 4: Die Vínlandsagas; S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2011; ISBN 978-3-10-401687-0
- Rudolf Simek: Vinland! Wie die Wikinger Amerika entdeckten; Verlag C.H. Beck, München, 2016; ISBN 978-3-406-69720-3
- Jörg-Peter Findeisen: Vinland - Die Entdeckungsfahrten der Wikinger von Island nach Grönland und Amerika: Erik der Rote, Bjarni Herjulfsson, Leif Eriksson und Thorfinn Karlsefni; Verlag Ludwig, Kiel, 2011; ISBN 978-3-86935-055-4
- Magnus Magnusson, Hermann Pálsson: The Vinland Sagas - The Norse Discovery of America; Penguin Books, London, 1965; EISBN 978-0-141-90698-0
- Seite „Vinland“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Vinland&oldid=223946693
Aussprache
Viele Textteile und vor allem Namen im Musical "Vínland" sind aus den Sagas übernommen und daher auf Altnordisch. Die erste Frage, die wir uns zu stellen haben ist nun, wie man diese merkwürdigen Zeichen dieser fremden Sprache auszusprechen hat.
Das ist tatsächlich nicht eindeutig, weil es ja keinen Original-Wikinger gibt, der einem das vorsprechen könnte. Immerhin hat man mit Hilfe von Vergleichen der isländischen, norwegischen und färöischen Sprache den Klang der diesen drei Sprachen gemeinsamen Ursprungssprache einigermaßen rekonstruieren können.1,2 In unserem Stück handhaben wir die Aussprache allerdings so, wie es viele Skandinavisten auch tun: Wir benutzen einfach die neuisländische Aussprache, soweit wir das eben hinkriegen.
Nachfolgend eine unvollständige Zusammenstellung einiger Ausspracheregeln des Isländischen:3
Vokale und Diphtonge
a | Wie das deutsche "a" |
á | Wie "au" |
æ | Wie "ai" |
au | "öi" |
e | Wie "ä" |
é | Wie "jä" |
ei | Wir genau so gesprochen wie geschrieben, also "äi" |
i | Ein stumpfes "i", fast in Richtung "e" gehend |
Í | Ein spitzes "i" |
o | "o" |
ó | "ou" |
ö | "ö" |
œ | "ai" |
u | "ü" |
ú | "u" |
y | Wie i |
ý | Wie í |
Konsonanten
Þ | Dieser Buchstabe ("Thorn") steht fast nur am Wortanfang und bezeichnet ein stimmloses englisches "th" wie in "thing" |
ð | Das "eth" kommt dagegen praktisch nur im Wortinneren vor und wird wie ein stimmhaftes englisches "th" wie in "mother" gesprochen |
v | wie ein "w" |
ll | Wird ähnlich wie "dl" gesprochen, aber stimmlos. |
r | wird stimmlos mit der Zunge gerollt |
Natürlich gibt es jede Menge weitere Regeln, aber dazu wird auf die Literatur verwiesen.
Zum Weiterlesen für:
- Jesse L. Byock: Altnordisch 1 - Die Sprache der Wikinger, Runen und isländischen Sagas; CreateSpace Independent Publishing Platform; 2016; ISBN 1535396148
- Rasmus Rask: Kurzgefaßte Anleitung zur altnordischen oder altisländischen Sprache; Hoffmann und Campe; 1839
- Seite „Isländische Aussprache“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Isl%C3%A4ndische_Aussprache&oldid=194953807
Skrælingar
Mit "Skrælingar" bezeichneten die Nordmänner despektierlich alle Völker, die sie noch nicht kannten, also die "Wilden". Auch die Ureinwohner Vínlands wurden so genannt. Nach heutigen Erkenntnissen handelte es sich wahrscheinlich um Micmac- oder Beothuk-Indianer. In Neufundland, wo bei L'Anse aux Meadows eine Wikingersiedlung gefunden wurde, bei der es sich möglicherweise um die in den Sagas genannten Leifshütten ("Leifsbuðir") handelt, lebten zu dieser Zeit wohl die Beothuk.
Auffällig bei den Beothuk war der großzügige Gebrauch von rotem Ocker. Damit wurde schlicht alles gefärbt, was möglich war, von Kleidung, Haare oder Gesicht. Wegen dieser Angewohnheit wurden sie auch als "Rothäute" bezeichnet, ein Name, der später auf alle Indianer ausgedehnt wurde. Auch in der Saga Eiríks des Roten wird übrigens berichtet, dass die Skrælingar ganz verrückt nach rotem Tuch gewesen seien.
Die Beothuk gelten seit 1829 als ausgestorben. Es existieren aber noch Listen von insgesamt ca. 400 Wörtern der Beothuk-Sprache. Die Texte der Skrælingar im Musical basieren auf diesen Vokabellisten. Über die Aussprache ist allerdings nichts bekannt, sie ist also sicher nicht authentisch.
Zum Weiterlesen:
- Seite „Beothuk“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Beothuk&oldid=217833915
- Laura Redish, Orrin Lewis: Beothuk Language (Beothuck, Skraeling, Red Indian). http://www.native-languages.org/beothuk.htm. 2009. (Auf Englisch; enthält Links zu weiteren Quellen wie Wortlisten.)